Zwangsordnung oder Gebot zur Freiheit?
Andreas Pangritz über das Sabbatgebot
Für Martin Luther stand fest: „Das Sabbatgesetz ist abgetan und bleibt abgetan, wo der Herrentag als Zeichen der Freiheit angeboten wird.“ Jahrhundertelang wurde gelehrt, Jesus habe das Sabbatgebot aufgehoben und durch den Sonntag ersetzt. Der jüdische Sabbath, so der Kirchenvater Augustinus, diene nur noch der Faulheit, dem Müßiggang und den fleischlichen Gelüsten. Andreas Pangritz führt in seinem Vortrag durch die Geschichte christlich-theologischer Sabbatfeindlichkeit, bevor er sich den biblischen Zehn Geboten zuwendet.
Dabei macht er deutlich, dass dieses Ruhegebot am siebten Tag der Woche ein weltgeschichtlich einzigartiges und revolutionäres Geschenk der Freiheit von den Zwängen der Arbeit ist. Auch der Jude Jesus hat sich um die richtige Einhaltung dieses Ruhetages bemüht, leidenschaftlich mit anderen darüber gestritten und daran festgehalten. Um das Sabbatgebot, diesen „Palast in der Zeit“, wie Abraham J. Heschel das ausdrückte, ist es wert zu kämpfen. Und es gibt noch viel zu streiten, um zu klären, was das für Christen und Christinnen bedeuten mag, die ja nicht den siebten Tag heiligen, sondern am „Tag des Herrn“, dem ersten Tag der Woche feiern.
In unserer Reihe Antisemitismuskritische Bibelauslegungen stellen wechselnde Exeget*innen neue Bibelauslegungen vor, die der tradierten Stereotypisierung von Juden, Jüdinnen und Judentum entgegentreten.
Prof. Dr. Andreas Pangritz lehrte bis 2019 Systematische Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und war zugleich einer von zwei Direktoren des Ökumenischen Instituts. Zurzeit ist er Lehrbeauftragter am Institut für Evangelische Theologie der Universität Osnabrück.
Erschienen am 09.03.2023
Aktualisiert am 12.07.2023